HomeKinoEmpfohlene FilmeEmpfohlene Action FilmeThe Son Of No OneKritik: The Son Of No One
The Son Of No One
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,5
durchschnittlich
The Son Of No One
Von Robert Cherkowski
Räuber und Gendarm wird überall auf der Welt gespielt und doch fühlt sich der Polizeifilm wie ein uramerikanisches Genre an. Hier wird die Frontiermentalität der Sheriffs aus dem Wilden Westen in die modernen Metropolen übertragen. Wo die Grenzen zwischen Gut und Böse früher noch klar gezogen waren, ist die moralische Landkarte jedoch spätestens seit dem New-Hollywood-Kino der 60er und 70er Jahre ein ganzes Stück unübersichtlicher. Während Francis Ford Coppolas „Der Pate" den Mafiosi einst unerwartete Tiefe abgewann, wurden die vermeintlichen „Good Guys" seit William Friedkins „French Connection" immer schattiger und psychotischer. Mit Sidney Lumets Cop-Trilogie (bestehend aus „Serpico", „Prince Of The City" und „Tödliche Fragen") wurde schließlich der gesamte städtische Polizeiapparat jeglicher Romantisierung beraubt. Nun steuert auch Dito Montiel dem erwachsen gewordenen Genre mit „The Son Of No One" ein angemessen düsteres Sühnestück bei. Einen großen Beitrag wie James Mangold mit „Cop Land" hatte sich der Regisseur vorgenommen, aber ganz gerecht kann Montiel seinen extrem hochgesteckten Zielen nicht werden.
New York, 2002: Ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September liegen die Nerven noch immer blank. Der junge Cop Jonathan White (Channing Tatum) will seinen Dienst auf den Straßen nur noch irgendwie über die Runden bringen. Seine Frau Kerry (Katie Holmes) und die gemeinsame Tochter hat er in einem der sicheren Bezirke einquartiert, wo sie weit weg sind von dem Elend, das ihn täglich plagt. Tatsächlich stammt Jonathan selbst aus dem sozialen Abseits. Aufgewachsen in einem berüchtigten New Yorker Ghetto, wurde er schon früh mit Hass, Missbrauch, Sucht und Verwahrlosung konfrontiert. In Rückblenden wird der Zuschauer Zeuge seiner schweren Kindheit, in der er (in den Rückblenden: Jake Cherry) und sein Freund Vinnie (Brian Gilbert) ohne Zutun in zwei Morde verwickelt werden. Damals hat der abgehalfterte Polizist Stanford (Al Pacino) die Schuld des jungen Jonathan vertuscht, um dessem Vater (einem Ex-Cop) einen Gefallen zu tun. Im Hier und Jetzt jedoch wird die linksliberale Zeitung der Journalistin Loren Bridges (Juliette Binoche) mit anonymen Schreiben bombardiert, in denen die Morde aus Jonathans Kindheit thematisiert werden. Der Schreiber droht, die Umstände von einst aufzudecken und die Täter beim Namen zu nennen. Immer mehr Druck bekommt Jonathan auch von seinem Vorgesetzten Mathers (Ray Liotta), der um seine Schuld weiß, ihn jedoch nicht ewig schützen kann. Während um ihn herum alles zerbricht, versucht Jonathan seine unvermeidliche Enttarnung zu verhindern und sich seiner Schuld zu stellen...
Ambitionen sind etwas Gutes, wenn es einem Filmemacher gelingt, sie in adäquater Form umzusetzen. Wenn dies aber nicht gelingt, ist die Trauer oft umso größer, zumal immer der Zweifel bleibt, wie stark ein Film denn nun hätte werden können, wenn bloß nicht so viel schief gelaufen wäre. „The Son Of No One" ist dafür ein Musterbeispiel. Was als intimes Cop-Drama ein lupenreiner Genre-Beitrag hätte sein können, verhebt sich immer wieder an seinen eigenen Ansprüchen. Wie schon in seinen früheren Werken (etwa „Kids - In den Straßen New Yorks") geht Montiel auch diesmal wieder mehr als engagiert zu Werke. Über allem liegt die gereizte Paranoia einer gedemütigten Stadt, die sich aus Angst selbst gefangen nimmt. Dabei hat der Autor und Regisseur den Mut, viele Fässer auf einmal zu öffnen: Nur ist dann am Ende für die relativ überschaubare Laufzeit von 90 Minuten definitiv zu viel an Ideen und Ansätzen vorhanden. Gnadenlos peitscht ein überambitionierter Plot den Film voran und immer wenn er rasten müsste, muss er doch weiter rennen, um bis zum Abspann durch zu sein. Gen Ende merkt man „The Son Of No One" die Eile immer deutlicher an, mit der er erzählt wird. Der Film wirkt erschöpft und der Zuschauer bleibt seltsam unberührt zurück. Einige Rückblenden, die nicht unbedingt subtil eingeflochten werden und einen immer wieder aus dem Fluss reißen, verstärken diesen Eindruck noch.
Auch das namhafte Ensemble hilft „The Son Of No One" nur bedingt weiter. Man sollte sich nichts vormachen: Von einem Edelmimen ist Channing Tatum („G.I. Joe") noch weit entfernt und immer wenn der bullige Beau die Verletzlichkeit seiner Rolle transportieren soll, zeigt sich seine Überforderung. Dennoch hat Tatum Charisma und in ein paar Jahren könnte er vielleicht sogar in die Fußstapfen eines Mark Wahlberg treten. Aber noch spielt der Rest des Casts Tatum an die Wand: Sei es James Ransone („The Wire") als sein schmieriger Partner oder Ray Liotta als undurchsichtiger Polizeichef. Liotta ist trotz seiner ständigen Ausflüge in den Dschungel von B- und C-Produktionen nach wie vor ein energiegeladener Derwisch, den man nicht unterschätzen sollte und dem ein großes Comeback unter fähigen Fittichen (Quentin Tarantino vielleicht) unbedingt zu wünschen wäre. Al Pacino („Heat"), dessen Auftritte sich auf abgehalftertes Orakeln in den Rückblenden beschränken, fällt vor allem durch die angezogene Handbremse auf, mit der er sich durch seine wenigen Szenen bequemt. In dieser Männerrunde ist für Frauen wenig Platz. Katie Holmes versucht gar nicht erst, sich hier zu profilieren. Einzig Juliette Binoche schafft es, bleibende Akzente zu setzen. Um ihrer Rolle jedoch wirklich Gewicht zu verleihen, wäre mehr Leinwandzeit nötig gewesen: Damit bringt ihr Dilemma auch das des gesamten Films auf den Punkt.
Fazit: Das Vorhaben eines episches Post-9/11-Zeitgeist-Dramas will Dito Montiel in eng abgesteckten 90 Minuten nicht gelingen. Was bleibt, ist ein Wust spannender Ansätze, die aber allesamt im Keim ersticken und zu keinem befriedigenden Ende finden. Dennoch sollte man den Regisseur im Auge behalten. Wenn es ihm zukünftig besser gelingt, seine ambitionierten Ziele seinen produktionstechnischen Möglichkeiten anzupassen, ist noch einiges von ihm zu erwarten.
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